Die Idee...

Den Landtag mit den Augen einer Volontärin entdecken: Während meines zweijährigen Volontariats in der Pressestelle des Schleswig-Holsteinischen Landtags könnt ihr mir in diesem Blog virtuell über die Schulter schauen. Euch erwarten persönliche Eindrücke und kleine Anekdoten aus meinem Arbeitsalltag und dem politischen Geschehen. Viel Spaß beim Lesen!

Donnerstag, 21. Dezember 2017

Vermisst – eine Müsli-Schüssel auf Abwegen

Alles begann vor etwa einem Monat: Ich ging in die kleine Küche unserer Pressestelle und wollte mir wie üblich meine Müsli-Schüssel holen. Wenn es der Terminplan erlaubt, frühstücke ich dann an meinem Platz, während ich meine Mails checke und den Pressespiegel lese. Nicht so an diesem Morgen – meine türkis-blaue Lieblingsschüssel war verschwunden. Nun gut, dachte ich mir, die Küche wird von vielen Kollegen genutzt und ich habe die Schale nie eindeutig als mein Eigentum gekennzeichnet. Also: selbst schuld. Sie wird schon wieder auftauchen.


Tatort Küche (Fotos: Landtag)
Etwa eine Woche nach ihrem Verschwinden wurde mir bewusst, wie sehr sie mir fehlte. Ich klebte einen Zettel mit einem Such-Aufruf an den Küchenschrank: Hilfe, meine Lieblingsschüssel ist weg! Es geschah nichts. Immerhin sprachen mich einige Kolleginnen darauf an, hörten sich um und halfen suchen. Niemand hatte etwas gesehen. Dann kam der Hinweis auf die Abschiedsfeier einer Kollegin, die in den Ruhestand gegangen war. Dort könnte die Schale doch versehentlich benutzt und an falscher Stelle wieder abgestellt worden sein. Aber  auch diese Spur führte ins Leere.

Nach und nach schwand meine Hoffnung, meine geliebte Schüssel würde je wieder auftauchen. Schließlich kamen kaum noch Hinweise, das Thema geriet in Vergessenheit. Nach etwa einem Monat nahm ich schweren Herzens den Zettel am Küchenschrank wieder ab: Ich musste mir wohl eine neue Schale zulegen.

Mein persönliches Weihnachtswunder 


Inzwischen steht Weihnachten vor der Tür. Die meisten Kollegen haben sich schon in den Urlaub verabschiedet. Auch ich bereite mich auf die freien Tage vor, sortiere die Zettelwirtschaft auf meinem Schreibtisch und trage Teetasse und Wasserglas in die Küche für einen letzten Spülgang in diesem Jahr.

Wieder aufgetaucht: die türkisfarbene Schüssel
Beim Blick in den Geschirrspüler traue ich meinen Augen kaum: da ist sie ja! Meine türkisfarbene Schüssel steht im oberen Korb. Etwas eingestaubt und mit klebrigen Spuren von etwas Süßem kann ich meine Müsli-Schale eindeutig identifizieren. Unglaublich. Mein persönliches Weihnachtswunder. Ab jetzt bekommt sie einen gesicherten Platz in meinem Büroschrank, soviel steht fest.

In diesem Sinne gehe ich nun beruhigt in den Urlaub und wünsche allen ein schönes Weihnachtsfest und ein gutes Jahr 2018!

Montag, 20. November 2017

Arbeitsplatzbegehung

Seit ich in der Verwaltung arbeite, begegnen mir immer wieder Begriffe, die für mich nach typischem Behördendeutsch klingen. Zu diesen Begriffen zählt für mich seit neuestem auch die „Arbeitsplatzbegehung“. Und genau die stand uns nun bevor. Ich war gespannt, was es damit auf sich hat.

Aber bevor ich mir ein eigenes Bild machen konnte, gaben meine Kollegen einige – nicht ganz ernst gemeinte – Geschichten über die jährlich stattfindende Begehung zum Besten. Man würde an seinem Platz genau begutachtet werden, „ein wenig wie bei der Inspektion beim TÜV“, witzelte ein Kollege zum Beispiel. Es reifte eine merkwürdige Vorstellung in meinem Kopf. Würde ich auf meinem Stuhl sitzen, während mich jemand beobachtet, wie ich mich verhalte? Ich erfuhr allerdings auch, dass die Arbeitsplatzbegehung zur Gesundheitsberatung gehört – der Landtag sorgt sich also um uns und schickt deshalb jemanden vorbei, der uns unter anderem vor Rückenschmerzen, Verspannungen und Augenleiden bewahren soll. Ich wartete weiter gespannt.

Die „Inspektion“ entpuppt sich als sinnvolle Beratung


Dass ich mir so viele Gedanken um diese sagenumwobene Arbeitsplatzbegehung machen konnte, hatte auch damit zu tun, dass sie in den vergangenen Monaten einige Male verschoben wurde. So häuften sich immer mehr Geschichten an und ich hatte genügend Zeit, mir verschiedene Szenarien auszudenken, wie es denn nun werden könnte. 

Und dann war es endlich so weit: Eine Frau im Hosenanzug, die sich um den Arbeitsschutz im Landtag kümmert, kam zu uns ins Büro. Sie stellte sich vor und setzte sich zu uns. Dann fragte sie uns, ob wir gut miteinander auskommen und uns mit dem Raum-Klima einig sind. Als wir einstimmig mit Ja antworteten, sah sie sich unsere Arbeitsplätze an und gab fachkundige Tipps, wie wir Schreibtisch, Bürostuhl und Monitore richtig positionieren. 

Nach der viertelstündigen Beratung warte ich jetzt darauf, dass mein Tisch neu eingestellt wird, damit ich keine Verspannungen im Nacken bekomme. Ich fand den Besuch der Gesundheitsbeauftragten hilfreich und stellte fest: Der Spruch des Kollegen war ein wenig überzogen.

Freitag, 3. November 2017

Gegenbesuch

Bundespräsidenten-Empfang im strömenden Regen, Zeitdruck bei den Vorbereitungen für plenum-online und Verwirrung um einen vermeintlichen Stinkefinger im Plenarsaal – es war richtig was los während der zwei Wochen, in denen die Volontärin aus der Unternehmenskommunikation der Provinzial-Versicherung im Landtag zu Gast war. Sie war für einen Gegenbesuch in unsere Pressestelle gekommen, nachdem ich im Mai bereits ihren Arbeitsplatz kennenlernen durfte.
 

Planung ist das A und O


Bevor es losgehen konnte, musste erstmal ein Plan her. Ich habe mich gefragt: Was hat mich am meisten interessiert, als ich neu im Landtag war? Welche Stationen fand ich besonders spannend? – Schnell hatte ich einen umfangreichen Katalog mit Aufgaben und Themen zusammen. Ein paar klassische Landtagsthemen wie die Plenartagung und die damit verbundenen redaktionellen und inhaltlichen Vorbereitungen, aber auch typische Aufgaben in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wie Pressemitteilungen schreiben und die Homepage mit News zu füttern, durften natürlich nicht fehlen. Und: Klar, ein bisschen Image-Pflege sollte auch dabei sein.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Foto: Landtag)

Dann ging es auch schon los. Gleich am zweiten Tag stand ein großes Event auf dem Plan: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kam zu Besuch in den Landtag. Ein irres Spektakel. Bei echt norddeutschem Dauerregen empfing der Landtag das Staatsoberhaupt mit Medienrummel und enormem Polizeiaufgebot. Für Fotos und ein Statement Steinmeiers galt ein straffer Zeitplan – wer sich nicht rechtzeitig positionierte, hatte Pech. Wir hatten Glück und konnten aus den Bildern und Infos einen schönen Beitrag für Internetseite des Landtages basteln.


Ein Bild für die Klatsch-Presse


Danach stand die Plenartagung im Mittelpunkt. Und damit vor allem die Vorbereitungen in Form von Hintergrundtexten und die Berichterstattung während der Debatten. Neben der vielen Textarbeit sollte aber auch das Politikerlebnis nicht zu kurz kommen. Wann hat man schon die Möglichkeit, Politiker hautnah zu erleben? Und während wir dann eine Debatte auf der Besuchertribüne des Plenarsaals verfolgten, waren wir prompt mittendrin. Im ersten Moment trauten wir unseren Augen nicht: Hatte ein Minister einem Abgeordneten tatsächlich den Mittelfinger gezeigt? Wir waren wohl nicht die einzigen, die sich wunderten: Der kuriose Vorfall schaffte es sogar in die überregionalen Medien. Wenn das kein filmreifes Erlebnis war!

Mittwoch, 27. September 2017

Ein Jahr Landtag - ein Rückblick

Eins steht fest: Das mit dem verspäteten Sommer hat nicht mehr geklappt. Inzwischen habe ich die Hoffnung aufgegeben, dass ich in diesem Jahr noch einmal mit Sommerkleid und Sandalen im Büro sitzen werde. Gerade erst habe ich mal wieder meinen Feierabend nach hinten verschoben, weil ich auf dem Weg nach Hause mit dem Fahrrad nicht klitschnass werden wollte. Es blieb mir also etwas Zeit, mich mit meinen Gedanken an mein erstes Jahr im Landtag zu beschäftigen.

Gleich zu Beginn meines Volontariats, nach zweieinhalb Wochen, wurde ich ins kalte Wasser geworfen – es ging für vier Wochen an die Akademie für Publizistik in Hamburg. Dort habe ich jeden Tag journalistisches Handwerkszeug gepaukt: Nachrichten schreiben, Interviews führen, Fotos machen und Vieles mehr. Das alles mit tollen Dozenten und 20 anderen Volontären aus ganz Deutschland. Eine super Zeit! Ich habe unheimlich viel gelernt.

Und auch wenn mein Kollege es noch nicht zu 100 Prozent wahrhaben möchte, bin ich im Laufe des Jahres eine richtige Expertin in Sachen plenum-online, der Plattform für die Berichterstattung während der Plenartagungen im Landtag, geworden. Hintergründe zu Anträgen und Gesetzentwürfen schreiben – nichts leichter als das. Und auch Meldungen und Berichte für die Landtagszeitschrift und die Website gehören für mich inzwischen genauso zum Alltag wie das System dahinter. 

Einiges wiederholt sich, viel Neues kommt dazu


Ich bin jetzt an einem Punkt angekommen, an dem sich die jährlich wiederkehrenden Veranstaltungen des Landtages wiederholen. Mit der Landwirtschaftsmesse Norla in Rendsburg hat sich der Kreis geschlossen. Dorthin ging es für mich gleich an meinem zweiten Arbeitstag im vergangenen September. Ich erinnere mich noch gut, dass ich im Gespräch mich den Menschen am Landtagsmessestand oft noch unsicher war und die richtigen Infos nicht sofort parat hatte. Dieses Mal habe ich mich viel besser gefühlt und es hat richtig Spaß gemacht, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen.

Vieles an meiner Arbeit im vergangenen Jahr ist mir positiv in Erinnerung geblieben, seien es Fototermine mit prominenten Gästen, ein Interview mit dem Landtagspräsidenten oder ein Wochenende „Jugend im Landtag“, an dem ich eine Jugendgruppe beim Videodreh begleiten durfte. Bei allem, was ich bereits gelernt habe, freue ich mich nun darauf, noch häufiger die strategische Pressearbeit zu begleiten. Mein nächstes Ziel: Ich will Profi im Verfassen von Pressemitteilungen werden.

Freitag, 4. August 2017

Sommerpause ohne Sommer

Verregneter Sommer in Kiel (Foto: Landtag)
Klitschnass stelle ich mein Fahrrad vor der „Karoline“ ab. Meine Schuhe triefen, zusammen mit meiner Jacke und meiner Regenhose müssen sie im Büro nun erstmal trocknen. Schon wieder ist es grau und nass draußen – so habe ich mir meinen ersten Sommer im Landtag nicht vorgestellt.

Meine Kollegen haben geschwärmt, wie schön die Sommerzeit sei: Arbeiten bei offenem Fenster und Sonnenschein, Mittagspause an der Förde, nach Feierabend eine kurze Abkühlung am Wasser – Pustekuchen. 

Der Politikbetrieb ruht bis September 

 

Trotz Herbstwetter hat im Landtag die Sommerpause oder genauer gesagt die sitzungsfreie Zeit begonnen. Was das betrifft, hatten die Kollegen Recht. Nach der Juli-Tagung fällt der Hammer: kaum noch Termine, wenige Mails und auch der Pressespiegel ist deutlich dünner als sonst. Politische Themen scheinen in dieser Zeit nahezu aus der Öffentlichkeit zu verschwinden. Während sich viele Mitarbeiter nach und nach in den Urlaub verabschieden, widmen sich die Abgeordneten jetzt ihrer Arbeit im Büro oder in den Wahlkreisen. Oder sie gönnen sich eine Auszeit. Im sonst so belebten Landeshaus wird es still auf den Gängen. 

Auch für mich ist es nun Zeit, an Urlaub zu denken. Gerade habe ich den letzten Artikel für die Homepage vorbereitet und auch mein Schreibtisch ist inzwischen aufgeräumt. Die nächsten vier Wochen werde ich dem Landtag den Rücken kehren. Die Hoffnung auf gutes Wetter gebe ich nicht auf – noch ist es nicht zu spät für einen schönen Sommer. In diesem Sinne wünsche ich allen einen erholsamen und hoffentlich sonnigen August.

Montag, 17. Juli 2017

... und täglich grüßt der Presslufthammer

Es ist kurz vor 10 Uhr, gerade öffne ich eine Mail vom Chef – am Mittag steht eine Besprechung an. Plötzlich werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Ohrenbetäubender Krach dringt durch den Raum. Ich werde an meinem Schreibtisch regelrecht durchgeschüttelt. Das Telefon klingelt. Ich kann es kaum hören, aber das Display zeigt den Namen der Kollegin im Büro unter mir an. „Ist es bei euch auch so laut?“, ruft sie ins Telefon. „Ich kann dich kaum verstehen“, schreie ich zurück. Durch die offene Bürotür sehe ich, wie einige Kollegen mit verzerrten Gesichtern und ihre Hände auf die Ohren gepresst in Richtung Ausgang eilen. 

Home Office statt Baulärm


Bauschutt vor der "Karoline" (Foto: Landtag)
Über den Flurfunk verbreitet es sich schnell: Eine Etage tiefer werden Wände herausgestemmt. Das ist ja interessant, denke ich mir. Auf unserem Flur wusste anscheinend keiner davon. Eine Handvoll Kollegen versammelt sich in der Küche. Wir sind ratlos. Wie lange werden die Bauarbeiten dauern? Und wie sollen wir bei diesem Lärm arbeiten? Einige klagen schon über Kopfschmerzen.

Zum Glück kommt kurze Zeit später die erlösende Nachricht: Wir können einen Antrag auf Dienstbefreiung stellen oder von zu Hause aus weiterarbeiten. In jedem Fall müssen wir uns den Krach nicht länger anhören. Gesagt, getan. 

Kurze Ruhe vor dem nächsten Sturm


Am nächsten Tag scheint es ruhiger zu sein. Ich kann zwar meine Fenster nicht öffnen, weil die Bauarbeiter unter mir Schutt in einen Container werfen und es zu mir hochstaubt. Aber das ist kein Vergleich zum Presslufthammer-Lärm vom Vortag. Unser Chef startet einen neuen Versuch, er lädt das Referat erneut zu einem Besprechungstermin am Mittag ein. Punkt 10 Uhr: Mein Schreibtisch erzittert. Das kann doch nicht wahr sein … 

Es kommt, wie es kommen musste. Die Abrissarbeiten sind natürlich nicht nach einem Tag beendet. Nach einigen Minuten ploppt eine Mail in meinem Postfach auf: Dienstbefreiungsantrag. Das ging schnell. Und was kommt als Nächstes? – Richtig: Die Besprechung ist auch abgesagt. Ein wirklich filmreifes Szenario. Da sagt noch einer, in der Sommerzeit ist es ruhig in der Landtagsverwaltung – weit gefehlt.

Freitag, 7. Juli 2017

Falsche Erwartungen

Der Petitionsausschuss tagt im Gegensatz zu den anderen ständigen Ausschüssen des Landtages nur selten öffentlich. Das liegt daran, dass es in den Petitionen zum Teil um sehr persönliche Angelegenheiten von Bürgern geht. Ihre Privatsphäre soll geschützt werden. Umso mehr war ich erstaunt, dass es in dieser Woche eine öffentliche Sitzung gab, in der sich das neu zusammengesetzte Gremium vorstellen und seine Arbeitsweise erklären wollte.

Spannend, dachte ich mir. Denn über die Arbeit im Petitionsausschuss wusste ich bisher nur so viel: Jeder Bürger kann sich mit einer Bitte oder Beschwerde, Petition genannt, an den Ausschuss wenden – das ist im Grundgesetz und in der Landesverfassung so verankert. Der Ausschuss geht der Sache dann nach und versucht zu schlichten. Soweit die Theorie.


"Alte Hasen" treffen auf "Grünschnäbel"


Im Tagungsraum angekommen, setze ich mich auf einen der Besucherstühle – ich bin der einzige Gast. Anders als in den übrigen Ausschüssen sitzen die Abgeordneten hier nicht nach Fraktionen gruppiert zusammen, sondern bunt verteilt. Es gibt keine Fraktionsdisziplin, jeder entscheidet für sich. Die "alten Hasen" unter den Parlamentariern begrüßen sich wie nach den Schulferien, sie freuen sich, einander wiederzusehen und die "Neuen" in kleiner Runde kennenzulernen.

Es folgt ein Vortrag über die Rechte, Pflichten und Aufgaben des Petitionsausschusses. Viele juristische Fragen (Wann ist der Petitionsausschuss zuständig?) und Begriffe (Sammelpetition, Massenpetition) werden aufgegriffen und erklärt, ich fühle mich etwas in die wenigen Jura-Vorlesungen zurückversetzt, die ich im Studium besucht habe.


Nicht spannend, aber notwendig


Die Vorstellung wirkt etwas trocken. Vielleicht bin ich mit den falschen Erwartungen in die Sitzung gegangen. Ich habe gedacht, hinter einer Einführung in die Arbeitsweise würden sich spannendere Einblicke in die Arbeit des Petitionsausschusses verbergen. Aber so ist das im Politikbetrieb, manchmal sind die Themen nicht so spektakulär wie gedacht. Und dennoch sind sie für die parlamentarische Arbeit wichtig vor allem für die neuen Abgeordneten, die sich zu Beginn der Legislaturperiode in die Arbeitsabläufe einarbeiten müssen. Nicht spannend, aber notwendig.

Freitag, 23. Juni 2017

Die Interview-Woche

Ich habe schlecht geschlafen, fühle mich, wie vor einer wichtigen Prüfung. An diesem Tag treffe ich mich mit dem jüngsten Abgeordneten im neugewählten Landtag zu einem Interview. Genau genommen ist es mein erstes. Trotz Nervosität bin ich unheimlich gespannt auf das Gespräch und freue mich darauf, den jungen Grünen-Politiker kennen zu lernen.

Tagelang habe ich recherchiert, wo er herkommt, wie er aufgewachsen ist, warum er in die Politik gegangen ist. Ich habe fast 30 Fragen vorbereitet, gehe sie im Kopf noch einmal durch. Dann ist es soweit. Ein letztes Mal überprüfe ich, ob ich alles dabei habe: Fragenkatalog, Aufnahmegerät, Kamera, Schreibblock, zwei Stifte (einen in Reserve) – alles da. Es kann losgehen.

Wir treffen uns im Besprechungszimmer der Grünen-Fraktion. Er bietet mir etwas zu trinken an und fragt mich, ob wir uns duzen wollen. Ich bin erleichtert. In diesem Moment bricht das Eis. Duzen macht die Atmosphäre weniger steif. 

Von Frage zu Frage werde ich entspannter. Am Ende dauert das Interview genau eine Stunde, so wie ich es mir vorgestellt hatte. Schon komisch, es ist genau wie früher vor Klausuren: Erst ist die Anspannung groß und wenn es dann losgeht, ist es meist doch nicht so schlimm.

Umso mehr konnte ich mich anschließend auf das nächste Interview freuen. Am Tag darauf habe ich gemeinsam mit einem Kollegen den Landtagspräsidenten anlässlich seiner zweiten Amtszeit als Parlamentschef befragt. Mein Gemütszustand vor dem Treffen mit dem erfahrenen Politiker: kein Vergleich zum Vortag. Mit meinem Kollegen als Unterstützung war ich nur noch halb so nervös.

Freitag, 9. Juni 2017

Wie am ersten Schultag

Ich erinnere mich noch gut an meine Einschulung im Sommer 1995. Es war ein aufregender Tag. Die ganzen Ferien über hatte ich darauf hingefiebert. Endlich zu den "Großen" gehören. Ich freute mich auf Lesen, Schreiben und Rechnen – wollte lernen, lernen, lernen. Der Tag begann mit einem Gottesdienst in der Dorfkirche. Danach wurden wir von den älteren Schülern und unseren neuen Lehrern in der Schule empfangen.

Erste Sitzung des 19. Landtages. (Fotos: Landtag)
Warum ich gerade jetzt daran zurückdenke? In dieser Woche hat sich der neue Landtag konstituiert, ist zu seiner ersten Sitzung nach der Wahl zusammengekommen. Gespannte Stimmung besonders bei den neuen Abgeordneten – ein bisschen wie am ersten Schultag. Bevor es in den Plenarsaal geht, versammeln sich viele Politiker beim ökumenischen Gottesdienst in der Pauluskirche, der traditionell vor der ersten Landtagssitzung abgehalten wird. Einige "Neulinge" wirken noch unsicher: Wem gebe ich die Hand? Wo setze ich mich hin?

Die neuen Schriftführer mit dem Alterspräsidenten.
Zurück im Landeshaus: Die erste Sitzung eröffnet traditionsgemäß der Alterspräsident, bevor der neue Landtagspräsident gewählt wird – im übertragenen Sinne der Klassensprecher der 73 Abgeordneten für die kommenden fünf Jahre. Ausgeschiedene Parlamentarier der alten Wahlperiode werden gewürdigt ("Glückwunsch, ihr habt's geschafft"), die neuen begrüßt ("An alle Zugezogenen und Sitzenbleiber: Schön, euch bei uns zu haben"). Auch die Schriftführer, die Klassenbuchführer des Sitzungspräsidiums, werden bestimmt.

Der Innen- und Rechtsausschuss trifft sich gleich nach der Konstituierung. Einige Politiker finden nicht auf Anhieb den richtigen Fachraum im weitläufigen Gebäude – oder in diesem Fall den Sitzungssaal – und kommen zu spät. Ich muss schmunzeln. Dass der erste Tag für die "Neuen" im Parlament so sehr an Einschulung erinnern würde, hätte ich nicht gedacht.

Dienstag, 30. Mai 2017

Raus aus der Politik, rein in die Wirtschaft

Wer in Kiel lebt und arbeitet, hat es zum Wasser meist nicht weit. Und so verlagerte sich mein Arbeitsplatz während meines Praktikums in der Pressestelle der Provinzial-Versicherung nur einige Kilometer südwärts entlang der Förde – vom altehrwürdigen Backsteingebäude aus dem vorletzten Jahrhundert in das braun-grüne Architekturungeheuer im Stil der 1970er Jahre. 

Für mich von außen eher abschreckend, von innen umso imposanter. Die große Eingangshalle mit Empfangstresen und Sitzgruppe in der Mitte vermittelt jedem, der das Gebäude betritt: „Wir sind ein offenes Haus, hier sollen sich unsere Kunden wohlfühlen“ – erster Punkt für ein positives Image.

In den langen Gängen kommen mir gutgelaunte Kollegen entgegen. Ein freundliches „Moin“ bringt jeder über die Lippen. Mensch, die scheinen ja alle Spaß an ihrer Arbeit zu haben, denke ich mir. Und auch in der Kommunikationsabteilung geht es freundschaftlich zu. Die vier Kolleginnen, mit denen ich das Büro teile, begrüßen sich jeden Morgen mit Umarmung und holen sich gemeinsam Kaffee in der Cafeteria Kostenpunkt 50 Cent. Echtes Teamgefühl kommt auf. Ich werde sofort integriert. Nächster Trick der Unternehmenskommunikation: Team-Building für motivierte Mitarbeiter. 

Die Pressestelle der Provinzial setzt schwerpunktmäßig auf interne Kommunikation. Das Intranet und die Mitarbeiterzeitung sind dabei die wichtigsten Kanäle. Die Themen sind vielfältig: Es geht beispielsweise um anstehende Veranstaltungen, neue Produkte, besondere Leistungen und das Engagement der Kollegen – alles, um die insgesamt 6.200 Mitarbeitern an den Standorten in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Westfalen auf dem Laufenden zu halten und hervorzuheben, dass sie gute Arbeit leisten. Ich bin beeindruckt. Und die klassische Pressestellenarbeit nach außen kommt noch hinzu. 

Mein Fazit: Der Ausflug in die Wirtschaft war spannender als anfangs erwartet. Und auch wenn zwei Wochen nicht gereicht haben, um Expertin für Versicherungsthemen zu werden, habe ich in der kurzen Zeit vieles über die Unterschiede zwischen Pressearbeit in der Verwaltung und wirtschaftsorientierter PR gelernt. Für mich gilt dennoch: Ich bleibe bei der tagesaktuellen Politik.

Montag, 15. Mai 2017

Aus der Schusslinie

Kaum ist die Wahl vorbei, geht das Gewusel von vorne los. Nicht nur die Fernseh-Studios werden wieder abgebaut, auch wir packen unsere Sachen. Die Pressestelle verlässt das Landeshaus – und macht Platz für die neuen Abgeordneten. Einige unserer Büros wird wohl die AfD übernehmen.

Alles fertig gepackt. (Fotos: Landtag)
Rund um meinen Schreibtisch stapeln sich die Kartons. Rote Zettel mit Namen und Zimmer-Nummer kleben auf Tischen, Stühlen, Monitoren und Papierkörben. Alle Stecker sind gezogen, die Kabel fein säuberlich um das zugehörige Gerät gewickelt. 

Auf einmal geht es zu wie auf dem Flohmarkt. Der erste Kollege kommt mit alten Büchern um die Ecke. „Kann das noch jemand gebrauchen? Ist von 1983.“ Er präsentiert einen über 30 Jahre alten Bildband über den Schleswig-Holsteinischen Landtag. Weitere Schätze kommen zum Vorschein. Auf dem runden Tisch in der Mitte unseres Büros sammeln sich CDs, Taschen und Bücher aus vergangenen Tagen. Längst verloren geglaubte Dinge tauchen in den Tiefen der Schubladen und Schränke auf. So läuft ein anderer Kollege den Rest des Tages mit einer blauen Landtagsschirmmütze herum, die er hervorgekramt hat.
Papierberge im Flur.

Nach zwei Tagen Packen und Sortieren gibt es kein Durchkommen mehr. Der Papiermüll vor unserem Büro hat sich zu einem bedrohlich schiefen Haufen aufgetürmt. Dann ist es endlich soweit: Die Möbelpacker rücken an und transportieren Kartons, Tische, Stühle und Schränke aus sieben Büros in unser neues Domizil – ein Bürogebäude im gegenüberliegenden Karolinenweg, das liebevoll „Karoline“ genannt wird. 

Am Ende der Woche ist der Umzug endlich geschafft. Jetzt kann wieder Alltag einkehren. Die Pressestelle ist aus der Schusslinie, während im Landeshaus noch lange keine Ruhe einkehren wird. Die Koalitionsverhandlungen haben gerade erst begonnen. Ich werde das Ganze in den kommenden zwei Wochen aus sicherer Entfernung beobachten. Meine nächste Station: Praktikum in der Unternehmenskommunikation der Provinzial-Versicherung.

Donnerstag, 4. Mai 2017

Ansturm auf das Landeshaus

Vor dem Landeshaus halten drei riesige LKW des ZDF. Sie transportieren die Ausstattung für das Wahlstudio im Plenarsaal vom Bürostuhl über meterlange Kabel bis zur Stellwand ist alles dabei. Die Vorbereitungen für die Landtagswahl am 7. Mai sind in vollem Gange. Das macht sich auch im Büro bemerkbar.

Das ZDF lädt sein Equipment aus. (Fotos: Landtag)
Obwohl die Anmeldefrist für den Zugang zum Landtag längst abgelaufen ist, klingelt das Telefon der Pressereferentin noch immer im Minutentakt. Es sind meist Journalisten, die sich für den Wahltag akkreditieren wollen. Doch zu spät "Nein, da können wir leider keine Ausnahme machen" und "Ja, sie hätten sich namentlich anmelden müssen" höre ich sie immer wieder sagen.

Bereits seit Mitte Februar konnten sich Medienvertreter registrieren. Und auch Abgeordnete, die Landesregierung und die Mitarbeiter der Landtagsverwaltung und der Fraktionen, die sich am 7. Mai im Landtag aufhalten wollen, mussten sich bei der zuständigen Kollegin anmelden. Dass sich nicht alle daran halten würden, war abzusehen. Man kennt seine "Pappenheimer". 

Ohne Einlasskarte kein Zutritt ins Landeshaus.
Hinweise, dass nur diejenigen, die sich rechtzeitig angemeldet haben, das Landeshaus am Wahlabend betreten dürfen, gab es einige. Auf drei Erinnerungen an die Medien, folgte eine weitere Pressemitteilung mit der Auskunft, dass "ein spontaner Besuch des Landtages" am 7. Mai nicht möglich sein wird. 

Wer die Frist nicht eingehalten hat, kann das Landeshaus am Wahltag nicht betreten. Es gelten strenge Sicherheitsvorschriften: alle Personalien werden im Vorfeld vom Landeskriminalamt überprüft, die Kapazitäten sind begrenzt. Insgesamt werden etwa 2.000 Gäste im Landtag erwartet, davon rund 1.000 Journalisten  auch TV-Sender aus Russland, Spanien und Dänemark haben sich angekündigt. Ein riesen Menschenauflauf also.

Ich bin schon gespannt, wie viele Leute versuchen werden, sich noch vor Ort zu registrieren. Solche "Notfälle" sind bereits eingeplant: Von vier Einlass-Countern ist einer für die "schweren Fälle" vorgesehen. Zutritt werden sie aber nicht bekommen. Sicherheit geht vor.

Donnerstag, 13. April 2017

Ein guter Anfang

Als ich ins Büro komme, fliegt ein dicker Stapel Papier an meinem Kopf vorbei und landet krachend neben mir. Vor Schreck springe ich zur Seite und stolpere beinahe über den großen Rollcontainer mit Altpapier, der mir den Weg zu meinem Schreibtisch versperrt. Von einer Trittleiter aus zieht mein Kollege nach und nach 40 Aktenordner aus dem Hochschrank, heftet das Papier darin aus und wirft es in den Container. Als er fertig ist, ist der Metallbehälter bis obenhin voll – alles Drucksachen aus der aktuellen Wahlperiode.
 
Wahnsinn, so viel Papier. Nur mit Mühe hievt der Hausarbeiter, der das Altpapier abholt, den Rollcontainer über die Türschwelle. Dass sich in der fünfjährigen Legislaturperiode bei zehn Plenarsitzungen pro Jahr einiges ansammelt, ist klar. Aber dass immer noch so viele Dokumente ausgedruckt werden, obwohl die meisten – wie etwa Drucksachen, Kleine Anfragen, Tagesordnungen und Plenarprotokolle – online abrufbar sind, wundert mich schon.

Im Gespräch mit Kollegen erfahre ich, dass die Landtagsverwaltung seit Jahren daran arbeitet, Papier zu sparen und die Mitarbeiter regelmäßig befragt, welche Dokumente sie weiterhin in gedruckter Form benötigen. Warum dann nicht ganz darauf verzichten? Die Abgeordneten könnten in der neuen Wahlperiode nach der Landtagswahl am 7. Mai zu Vorreitern werden. Sie bekommen ein neues Online-Informationssystem, über das sie alle Unterlagen für die jeweiligen Ausschuss- und Plenarsitzungen abrufen und theoretisch papierlos arbeiten können. 

Ein guter Anfang. Und ich habe das Gefühl, mit dem Papiersparen im Büro ein Thema angestoßen zu haben, bei dem sich jeder angesprochen fühlt. Auch ich habe nun jedes Mal ein schlechtes Gewissen, wenn ich den Drucker benutze.

Donnerstag, 30. März 2017

Schnacken ist nicht gleich Schnacken

Als Kind hatte ich Spaß daran, Dialekte nachzuahmen und damit meine Familie zu unterhalten. Ob Bayrisch, Sächsisch oder Schwäbisch ich plapperte nach, was ich im Urlaub oder im Fernsehen aufschnappte. Das für Schleswig-Holstein typische Platt war auch dabei. Und obwohl es weder Freunde noch Familie perfekt schnacken können, hatte ich bisher das Gefühl, Plattdüütsch gut zu verstehen. Bis ich diese Woche beim "Poetry Slam op Platt" im Kieler Landeshaus war. 

Slammerin Annika Blanke schnackt över de Ostfriesen. (Foto: Landtag)
Eine Dichterschlacht im Plenarsaal und dazu noch auf Plattdeutsch klingt erstmal ungewöhnlich. Allerdings: Niederdeutsch ist eine anerkannte Regionalsprache, die durch die schleswig-holsteinische Landesverfassung geschützt ist. Mehr als "nur" ein Dialekt also. Der Landtag bietet sogar Besucherabende "op Platt" an. Und der Parlamentspräsident ist Vorsitzender des Beirats Niederdeutsch, der sich beispielsweise dafür einsetzt, mehr Plattdeutsch an den Schulen zu unterrichten.

Platt-Unterricht hätte mir wohl auch gut getan, denke ich frustriert, als ich auf der Tribüne des Plenarsaals sitze. In der ersten Runde des Wettbewerbs, als die sechs Slammer ihre Geschichten über Ostfriesland, Science Fiction, Haustiere und Gärtner vortragen, ist es besonders schlimm. Schockiert darüber, wie schwer es mir fällt, den Rednern zu folgen, bin ich kurz davor zu gehen. Doch es ist wie mit einer lange nicht gesprochenen Fremdsprache: Umso länger ich konzentriert lausche, desto besser höre ich mich hinein. Am Ende des Poetry-Slam-Abends verstehe ich wenn auch nicht jedes Wort zumindest die Zusammenhänge so gut, dass ich mitlachen kann. 

Am gleichen Abend beschließe ich: Als Schleswig-Holsteinerin sollte ich fließend platt schnacken können. Da muss der für diesen Sommer geplante Spanisch-Kurs wohl warten ...